Hohe Dynamik der Vogelgrippe verheißt ungewisse Entwicklung

Ein Vortrag von Dr. Florian Packmoor vom Nationalpark Wattenmeer

Rund 40 Gäste begrüßte Agnes Ratering, Vorsitzende der NABU-Gruppe Rheiderland am vergangenen Dienstag im Familienzentrum in Bunde. Sie waren zu einem Vortrag von Dr Florian Packmoor über die Entwicklung und die Auswirkungen der Vogelgrippe im Nationalpark Wattenmeer gekommen.
"Die Virusmutation in einem Gänsemaststall in China führte zum Ausbruch der Vogelgrippe, in Deutschland wurde sie zum ersten mal im 2006  festgestellt," erläuterte Dr. Packmoor,  "als zahlreiche Höckerschwäne auf der Insel Rügen tot aufgefunden wurden. Es wurde das schwachpathogene Virus H5N8 festgestellt. Seitdem kommt es immer wieder zu Ausbrüchen der Vogelgrippe. Betroffen sind Wildvögel ebenso wie Hausgeflügel und kommerzielle Betriebe.  So waren im Jahr 20/21 besonders Nonnengänse und Pfeifenten vom vorherrschenden Typ H5N8 betroffen."
Im Winter 21/22 tauchte dann plötzlich die hochpathogene Variante H5N1 auf. Viele Tiere auf engem Raum begünstigen die Mutationen des Virus zu neuen Varianten. Inzwischen hat sich die Vogelgrippe global verbreitet, und auch Säugetiere wie Fuchs, Marder, Seelöwen sind betroffen. In den USA sind mittlerweile 200 Milchviehbetriebe betroffen, deren Milch eine hohe Viruslast aufweist.
Eine völlig neue Entwicklung nahm die Vogelgrippe im Nordseeraum während der Sommermonate 2022. Besonders in den Brutkolonien einiger See- und Küstenvogelarten, wie Lachmöwe, Brandsee - und Flussseeschwalben  kam es, zum Teil zu einer erheblichen Anzahl krankheitsbedingter Todesfälle bei brütenden Tieren. 

Am Beispiel der Brandseeschwalbe verdeutlichte Dr. Packmoor die dramatische Entwicklung bei dieser Population, eine Art, die vom Aussterben bedroht ist. Fast ein Drittel der Brandseeschwalben kamen durch das Virus zu Tode. Die Ansteckung ging rasant voran, da die Brandseeschwalbe in engen Kolonien brüted. Allein auf der Vogelinsel Minsener Ogg wurden 1900 erwachsene Tiere und 2800 tote Küken gezählt.

"Entspannt kann man die Entwicklung der Vogelgrippe wirklich nicht sehen, sie ist hochdynamisch und sorgt immer wieder für erschreckende Überraschungen. Keiner kann voraussehen, wie die Lage künftig aussehen wird " war das Resümee des Ornithologen am Ende seines Vortrages. Auch für die Zuschauer blieben noch einige Fragen offen.
„Welche Rolle spielt die Geflügelhaltung in diesem Infektionsgeschehen. Zumal bekannt ist, dass es in Geflügelmastställen immer wieder zu Ausbrüchen der Vogelgrippe kommt, was zur Tötung von tausenden Tieren führt?“  war z.B. eine der Fragen. Dr. Packmoors Erklärung dazu: „Das Virus wird über Tröpfcheninfektion und über den Kot verbreitet, daher geht auch eine große Ansteckungsgefahr vom Kot aus. Besonders bei Kälte kann sich das Virus lange halten und damit sorgt auch infizierter Hühnermist für die Ausbreitung der Seuche.  Das die Vogelgrippe eine sehr kurze Inkubationszeit, gerade mal 1 bis 2 Tage hat, lässt darauf schließen, das Wildgänse, die aus arktischen Regionen zu uns zur Überwinterung kommen, nicht diejenigen sind, die das Virus hierhin bringen."
„Wir hätten uns gefreut, wenn mehr Landwirte und Politiker diese Gelegenheit zur Information wahrgenommen hätten und sich diesen hoch wissenschaftlichen und interessanten Vortrag angesehen hätten", so Nationalparkvogelführer und NABU Mitglied Edzard Busemann.

Vogelgrippe - Wie gefährlich ist sie?

Vortrag von Dr. Florian Packmoor von der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer

Zu einem Vortrag von Dr. Florian Packmoor von der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer zum Thema Vogelgrippe lädt der NABU Rheiderland am Dienstag, den 10. Dezember um 19:00 Uhr in das Familienzentrum in Bunde, Kellingwold 10 ein. Dr. Packmoor ist Ornithologe und Verhaltensökologe und gilt als ausgewiesener Experte auf diesem Wissensgebiet.

Seit fast zwei Jahrzehnten kommt es weltweit immer wieder zu Ausbrüchen der Vogelgrippe. Betroffen sind Wildvögel ebenso wie Hausgeflügel und kommerzielle Betriebe. Auch in Ostfriesland ist es in diesem Jahr bereits zu massenhaften Tötungen von Puten aufgrund dieser Seuche gekommen. Längst ist die Vogelgrippe keine Vogelkrankheit mehr, mittlerweile sind auch Marder, Bären und Robben an ihr gestorben. Vor allem in Asien stecken sich immer wieder auch Menschen mit aggressiven Varianten der Vogelgrippe an. Seit 2013 gab es weltweit mehrere hundert Todesfälle – mit Virustypen, die in Deutschland bisher nicht auftreten. In den USA ist die Vogelgrippe bei den Milchkühen angekommen, die Milch betroffener Kühe weist eine sehr hohe Viruslast auf und zählt in unbehandeltem Zustand als infektiös. 

In den vergangenen Jahren traten größere Ausbrüche der Vogelgrippe bei Wildvögeln zumeist im Spätherbst und zu Beginn des Winters auf. Seit dem Jahr 2022 scheint die Vogelgrippe in den Wildvogelpopulationen des Nordseeraumes, in unterschiedlicher Intensität, ganzjährig präsent zu sein. Angesichts der aktuellen Planungen für Hähnchenmastlagen im Rheiderland, muss befürchtet werden, dass sich diese Entwicklung in Zukunft noch verschärft.

 In einem Lichtbildervortrag wird Dr. Florian Packmoor über die aktuelle Situation, die Gefahren und wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Vogelgrippe berichten. 

Zahlreiche Weißwangengänse überwintern im Rheiderland, auch sie wurden im Winterhalbjahr 2021/22 in großer Anzahl Opfer der Vogelgrippe.


"Airport Rheiderland International - die Ems-Dollart-Region als Zugvogelgebiet zwischen Arktis und Afrika"

Lichtbildervortrag von Dr. Helmut Kruckenberg

Rund 40 Gäste begrüßte Agnes Ratering, Vorsitzende der NABU-Gruppe Rheiderland im Rahmen der Zugvogeltage im Familienzentrum in Bunde. Sie waren zu einem Vortrag von Dr. Helmut Kruckenberg über die Bedeutung der Ems-Dollart-Region als Vogelrastgebiet gekommen und wurden mit vielen interessanten Details über die verschiedenen Vogelarten aufgeklärt.
Seit fast zweieinhalb Jahrzehnten ist Kruckenberg in diesem Gebiet unterwegs und erfasst die rastenden Zugvögel. Die ersten Vogelzählungen führte allerdings der NABU Leer unter Leitung von Dr. Klaus Gerdes ab Anfang der 1970er Jahre im Rheiderland durch. Damals wurden deutlich weniger Bläss- oder Nonnengänse gezählt, denn die Arten waren durch den Krieg stark zurückgegangen. Nach ihrer Unterschutzstellung ging ihre Anzahl schnell in die Höhe. Die Gänse profitierten von außerdem von der Intensivierung der Landwirtschaft, das Grünland verwandelte sich durch Entwässerung und Düngung vielfach in intensives Grünland. Schnell wurde zudem deutlich, dass diese Veränderung nicht ohne Folgen für viele Vogelarten blieben. In den 1980er Jahren war der Ruf des Brachvogels, der Uferschnepfe und der Kiebitze in den feuchten und mit Blänken überzogenen Wiesen des Rheiderlandes allgegenwärtig. In den Vordeichwiesen der Ems führten zahlreiche Kampfläufer in der Balzzeit ihre Scheinkämpfe durch. Wer heute aufmerksam durch das Gebiet fährt, kann zu bestimmten Zeiten zwar immer noch Kiebitz, Brachvögel und Schwärme von Goldregenpfeifern entdecken, doch stammen die allermeisten heute aus den nordischen und arktischen Brutgebieten. Durch intensive Schutzmaßnahmen hofft man z.B.den Brachvogel vom dem Aussterben bewahren zu können.
Interessante Ergebnisse, so verdeutlichte Kruckenberg, erbrachte die Besenderung von zahlreichen Bless- Nonnen- und Graugänsen.
Man gewann neue Erkenntnisse über Zugrouten oder welche Schlafplätze Bläss- oder die Nonnengänse bevorzugen. Während die Nonnengänse überwiegend auf dem Dollart schlafen, konnten die Forscher für die Blässgänse eine Vielzahl genutzter Gewässer nachweisen. Auch das Zugverhalten der Graugans, die in ganz Deutschland zu Hause ist, wurde von den Vogelforschern unter die Lupe genommen. Sie macht sich ebenfalls auf den Weg, aber nicht um bessere Nahrungsflächen zu finden, sondern um einen sicheren Ort für die Mauser zu finden, z. B. den Beltringharder Koog in Schleswig-Holstein. Während der Mauser verliert sie alle ihre Flugfedern, sie ist somit nicht mehr in Lage vor ihrem Feind zu fliehen. Zudem braucht sie in dieser Zeit energiereiches Futter, um das sehr schnelle Wachstum ihrer Federn zu ermöglichen.
Die Ems-Dollart-Region bietet einer großen Vielzahl von Zugvögeln einen Zwischenrastplatz. Das Spektrum reicht von weit ziehenden Watvögeln wie dem Regenbrachvogel oder dem Kiebitzregenpfeifer, die aus den arktischen Brutgebieten bis nach Westafrika ziehen bis zu Greifvögeln und Reihern aus Polen, dem Baltikum oder Skandinavien. Diese scheinen derzeit die  Gewinner der Entwässerungsmaßnahmen zu sein, so Kruckenberg. Denn vor allem deshalb finden diese gefiederten Gäste Mäuse in großem Umfang.